Datum: 27.05.2019
Ort: 6112 Wattens, Kristallweltenstr. 1
Ressorts: Events, Kultur, Musik
Kunde: D. Swarovski Tourism Services GmbH
Klavier solo und mit Orchester
Zwei Klavierrecitals – das erste als Eröffnungskonzert mit dem britischen Pianisten Paul Lewis, das zweite als Matinee am Sonntag mit dem jungen österreichischen Virtuosen Aaron Pilsan – standen im Zeichen der Stimmungsvielfalt, die dem Klavier von Komponisten in allen Epochen zugeschrieben wird. Paul Lewis siedelte sein Programm zwischen dem Humor von Joseph Haydn und der Ernsthaftigkeit und Melancholie von Johannes Brahms an. Eine atmosphärische und musikalische Verbindung zwischen Haydns e-Moll-Sonate und Johannes Brahms’ „Drei Intermezzi“ gelang ihm mit Beethovens „Diabelli-Variationen“ – technisch meisterlich, mit großer Klarheit und untrüglichem Gespür für die feinen Nuancen vorgetragen.
Aaron Pilsan begann ebenfalls mit Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven und hob wie Paul Lewis Leichtigkeit und Ernst, Poesie und Witz dieser Werke hervor. Mit Karol Szymanowskis klangvollen „Metopen“, Franz Schuberts viel gespielten „Vier Impromptus“ von 1827 und schließlich mit Franz Liszts „Wilder Jagd“ als Zugabe präsentierte sich Pilsan als versierter Interpret romantischer Musik unterschiedlicher Spielarten. Im vorherigen Einführungsgespräch schilderte Pilsan, wie er als Kind ganz spielerisch das Klavier für sich entdeckt hatte. Die ungebrochene Freude am instrumentalen Spiel, die Intensität der Auseinandersetzung mit Musik gaben er und Paul Lewis im Masterclass-Programm „Impuls“ auch an den Klaviernachwuchs weiter: Aaron Pilsan an Schüler der Musikschule Wattens, Paul Lewis an Studenten des Tiroler Landeskonservatoriums.
Aber zurück auf die Bühne, und zwar erstmals bei „Musik im Riesen“ auf die große Bühne im Saal Tirol des Congress Innsbruck: Für den konzertanten Höhepunkt des Festivals am Samstag, 25. Mai 2019, hatte der künstlerische Leiter Thomas Larcher die chinesisch-amerikanische Starpianistin Yuja Wang, das City of Birmingham Symphony Orchestra und dessen herausragende Chefdirigentin Mirga Gražinytė-Tyla gewinnen können. Schon der Auftakt – György Ligetis „Concert românesc“ von 1951 – und Brahms’ Symphonie Nr. 2 zum Abschluss zeigten, mit wie viel Feingefühl, Leichtigkeit, Kraft, Offenheit und Präzision die junge litauische Dirigentin und das britische Orchester zusammenarbeiten. Dazwischen machte Yuja Wang an einem Schlüsselwerk der Romantik deutlich, warum sie zurzeit als die junge Klaviersolistin schlechthin gehandelt wird. Selten widmet sich eine Pianistin oder ein Pianist Schumanns Klavierkonzert a-Moll mit so viel innerem Verständnis, einem so feinen Gespür für Schattierungen und einem so präzisen Blick für die Dramaturgie dieses Werks, das wie kein anderes von der Verbindung zwischen Robert und Clara Schumann erzählt. Die Freiheit des Ausdrucks gewinnt Yuja Wang unter anderem aus ihrer sensationellen Spieltechnik, an der sie in drei Zugaben – Schumann, Mendelssohn und Vladimir Horowitz’ rasend dahinfliegende „Carmen-Fantasie“ – keinen Zweifel ließ.
Streichquartette aus dem Osten Europas
Am Abend davor fand sich das tschechische Pavel Haas Quartet an einem neuen Spielort von „Musik im Riesen“, der Schleifhalle in der Werkstätte Wattens, und mit einem Programm ein, das ganz der Streichquartett-Musik Osteuropas gewidmet war. Die Streichquartette op. 7 und 8 von Dmitri Schostakowitsch, von denen er das eine dem Andenken an seine verstorbene Frau Nina, das andere seinem eigenen Andenken gewidmet hatte, zählen zu den persönlichsten Werken des russischen Komponisten. Tief beeindruckend in ihrem Ernst und ihrer dunklen Schönheit gaben sie den vier Musikern Gelegenheit, die fast orchestrale Klangfülle zu erschaffen, für die sie berühmt sind. Farbenreichtum bestimmte auch ihre Interpretation von Antonín Dvořáks letztem Streichquartett, das er nach seiner Rückkehr aus den USA 1895 bewusst als Werk seiner Heimat Böhmen anlegte.
Tirol auf der Bühne
Apropos Heimat: Zwei Konzerte mit engem Tirol-Bezug vervollständigten das Programm von „Musik im Riesen“ 2019. Am Donnerstag, 23. Mai, stellten die Knoedel rund um den Komponisten, Fagottisten und Zitherspieler Christof Dienz ihre neue CD „Still“ vor. Auch Dienz nützt die vielfältige Ausdruckskraft von Kammermusik, wenn er für „sein“ Ensemble Stücke schreibt. Das Oktett, das in den 1990er-Jahren weltweit erfolgreich war, fand sich 2018 nach 18 Jahren Pause in nur leicht veränderter Besetzung wieder zusammen. Bei ihrem Auftritt in Wattens herrschten Spiellust, eine große Selbstverständlichkeit im Zusammenspiel und die Freude daran, unterschiedlichste Klänge und Klangkombinationen bis hin zum Eigenbauinstrument „Haimophon“ auszuprobieren. Das hörte sich – mit Fagott, Trompete und Klarinette, Geige, Harfe, Gitarre, Kontrabass und Hackbrett – einerseits vertraut an, gewann aber durch die Erweiterung um den Schlagwerker Charlie Fischer an rhythmischer Kraft und begeisterte das Publikum im ausverkauften Forum des Riesen.
Knapp 270 Jahre liegen zwischen der Musik von Christof Dienz und der „Missa Omnium Sanctorum“ von Jan Dismas Zelenka. Rhythmische Komplexität zeichnet aber auch diese letzte Messe des böhmischen Komponisten am Dresdner Hof von August III. aus, die Dirigent Ewald Brandstätter mit dem Choropax Kammerchor Wattens und dem Marini Consort Innsbruck für das Abschlusskonzert von „Musik Riesen“ 2019 einstudierte. Chor, Musiker und Solisten, darunter die herausragende Maria Erlacher (Sopran), trugen dieses barocke Meisterwerk in der Marienkirche Wattens mit Hingabe vor und setzten damit einen überzeugenden Schlusspunkt unter ein Festival, das in Tirol seinesgleichen sucht.
Die 17. Auflage von „Musik im Riesen“ wird von 20. bis 24. Mai 2020 stattfinden.